NAH MAGAZIN / PLANT B

Gründer mit 53: Der Berufsoptimist

 
 
 

Thomas Starz ist nicht wie geplant aus Hamburg nach München gereist für unser Gespräch und das Fotoshooting. Stattdessen bleibt er zuhause, ebenso wie Millionen andere im März 2020, inklusive uns. Wir sprechen mit ihm per Videokonferenz und treffen ihn in bester Stimmung an.

Optimistisch in die Zukunft

2018 gründete der ehemalige Manager das Start-up Plant B, basierend auf einer Produktidee, die den modernen Lifestyle adressiert: Ein genussvoller Trink-Snack für zwischendurch und unterwegs, mit einer rein veganen Rezeptur und in einer umweltfreundlichen Verpackung. Dass infolge der Corona-Krise kaum noch jemand zur Arbeit pendelt oder auf Geschäftsreise geht, hat immense Auswirkungen auf die Nachfrage nach Snacks für unterwegs. Starz strahlt dennoch Gelassenheit aus und blickt optimistisch in die Zukunft.

„Diese Idee hat mich einfach nicht mehr losgelassen“, sagt Starz, wenn er über die Anfangszeit seines Start-ups spricht. „Milchalternativen sind ein stark wachsender Trend, auch in unserem Kühlschrank zuhause“, sagt der Gründer. „Was ich mich gefragt habe, ist: Warum gibt es eigentlich kein Getränk, das pflanzliche Milch und Fruchtanteil kombiniert? Pflanzliche Ernährung ist mehr als ein Trend – es ist schon eine Bewegung.“

Also begann er damit, herauszufinden, ob und wie er seine Idee umsetzen kann – und das möglichst in Eigenregie. „Im Alter von 53 Jahren unter die Gründer zu gehen ist sicher die Ausnahme, doch viele in meinem Umfeld fanden die Idee sehr mutig“, so Starz. „Ausschlaggebend waren dabei die Impulse, die ich in meinem Alltag von vielen Seiten empfangen hatte. Diese ließen mir einfach keine Ruhe und haben die Start-up-Idee so lange reifen lassen, bis ich schließlich nicht mehr anders konnte, als sie in die Tat umzusetzen.“ 

 

„Ich will die positiven Seiten nach vorne bringen und keine Zeit mit Missionieren und Fingerpointing verschwenden.“

Das Fundament seines Unternehmens bilden Thomas Starz’ jahrzehntelange Erfahrung und ein großes persönliches Netzwerk, das er während seiner 25-jährigen erfolgreichen Laufbahn in der Lebensmittelindustrie aufgebaut hat. „Erste Berührungen mit pflanzlichen Milchalternativen mit Fruchtgeschmack hatte ich bereits vor über zwölf Jahren in China, als ich dort Vorstand Sales & Logistics bei einer Tochtergesellschaft von Coca-Cola war“, erzählt Starz. „Diese Getränkekategorie war schon damals sehr populär in China.“

Der gebürtige Allgäuer ist weder Veganer noch Vegetarier oder ein Gegner von Milch. Er ist, wie immer mehr Menschen, ein Flexitarier und ein Typ, der gerne nach Wegen sucht, Dinge besser zu machen. „Was ich ablehne, ist Trittbrettfahrer einer Bewegung des erhobenen Zeigefingers zu sein“, betont Starz. Für seinen Kaffee bevorzugt er beispielsweise Milchalternativen. Wenn diese mal nicht zu haben sind, dann gibt es aber eben doch das herkömmliche Produkt.

„Ich will nicht belehren, sondern eine genussvolle Lifestyle-Option bieten, die gesund und nicht tierischen Ursprungs ist. Und quasi nebenbei trägt unsere PET-Verpackung zum Klimaschutz und zur Kreislaufwirtschaft bei.“ Denn sie besteht zu 50 Prozent aus recycelten Materialien, ist mit 25 Cent bepfandet und sogar vollständig recyclingfähig. Sein Motto: „Ich will die positiven Seiten nach vorne bringen und keine Zeit mit Missionieren und Fingerpointing verschwenden.“ 

 

Alternative als Genuss

Während der Recherchen für seine Geschäftsidee stieß er unter anderem auf die Ernährungsorganisation ProVeg International, wo er eine erstaunliche Entdeckung machte: „Wenn wir Menschen unseren Konsum tierischer Produkte um 50 Prozent reduzieren, würde gleichzeitig der globale CO2-Ausstoß bis 2040 um 40 Prozent zurückgehen – ein weiterer Beleg dafür, dass die Alternative nicht in Verzicht und Verteufelung besteht. Sondern eher im ‚weniger ist mehr‘, also bewusst genießen und nebenbei Gutes tun.“


ProVeg ist jedoch auch in anderer Hinsicht wichtiger Teil seines Lebens geworden. Denn dazu gehört ein Inkubator, der vegane Start-ups fördert. Dort wurde Starz auch zum Mentor. Dabei teilt er sein Wissen einerseits mit der nachfolgenden Unternehmergeneration und profitiert seinerseits für sein eigenes Start-up vom Austausch mit Weggefährten.

Warum er die Produktidee nicht bei einem Lebensmittelkonzern gepitcht hat? „Aus meiner langjährigen Erfahrung weiß ich: Das funktioniert nicht in so einer Organisation, die Kostenstruktur ist nicht handhabbar. Man muss wissen, dass die Rohstoffe verhältnismäßig teuer und Erlöse für Konzerne anfangs zu gering sind. Mir war also klar, ich muss das anders angehen“, sagt Starz.

 

„Ich glaube, es wird sich nach dieser Zeit viel zum Guten verändern.“

So ist Plant B noch heute fast eine One-Man-Show. Beziehungsweise ein Familienunternehmen: Denn Starz’ Sohn Niklas hat, als er nach dem Abitur von den Plänen seines Vaters erfuhr, seinen Studienbeginn kurzerhand um ein Jahr verschoben, um ihn bei seiner spannenden Reise zu begleiten. Und wurde dabei zu einem wichtigen Berater.

„Wir haben gemeinsam ein Geschäftsmodell entwickelt, das in der Lage ist, sowohl B2B- als auch B2C-Abnehmer innerhalb von 72 Stunden innerhalb Deutschlands zu beliefern“, so Starz. „Und gerade im digitalen Bereich ergänzt mich mein Sohn großartig und wusste immer, wo ich eine kleine, günstige oder gar kostenlose Lösung für dieses oder jenes Problem herbekomme. Denn mein Ansatz war, das ganze möglichst schlank anzugehen, möglichst viel virtuell und auf dem Smartphone erledigen zu können.“

Die Partner, mit denen er heute zusammenarbeitet, sind alle eigentümergeführt: „Ein großer Vorteil ist, dass wichtige Entscheidungen sehr schnell fallen können.“ So hat der Logistikpartner sich innerhalb weniger Stunden nach der Anfrage entschieden, Sachspenden von Plant B an Krankenhäuser und Arche-Institutionen zu sehr geringen Kosten auszuführen.

 

Wie es menschelt

Seit 2019 stehen drei Sorten Plant B in den Regalen von zahlreichen Händlern. Weitere Kooperationen, etwa mit Betreibern von Großkantinen sowie an Flughäfen und Bahnhöfen, standen für das erste Quartal 2020 in den Startlöchern. Doch dann kam die Corona-Pandemie. Wie geht er damit um als Einzelunternehmer?

„Ich sitze derzeit auf einer Produktion im Wert von mehreren hunderttausend Euro. Was mache ich also? Unternehmerisch versuche ich – weil ja niemand mehr unterwegs ist – Aktivitäten bei meinen Handelspartnern vorzuziehen. Mir ist es gelungen, unser Geschäft zu stabilisieren. Obwohl man es teilweise mit Milliardenkonzernen zu tun hat, spürt man in diesen Tagen doch, wie es ‚menschelt‘, Charakter und Vertrauen zeigen sich stärker denn je.“

Außerdem fahre er mit dem Fahrrad durch die Nachbarschaft und stelle Freunden und Nachbarn ein paar Flaschen mit einer Grußkarte vor die Tür, erzählt der Unternehmer. „Und ich kümmere mich um Partner, Dienstleister, die Start-ups, die ich bei ProVeg betreue – mit Nachfragen, kleinen Aufträgen und dem Angebot eines jederzeit offenen Ohrs und einer helfenden Hand.“

Im Gespräch rund um die Krise zeigt sich, dass Starz auch jetzt seinen Optimismus nicht verliert: „Klar wirft uns das zurück. Aber nicht so weit, als dass wir es nicht aufholen könnten. Und ich glaube, die Entschleunigung und das Bewusstsein um die Vor- und Nachteile tierischer Ressourcen hilft uns am langen Ende auch. Ich glaube, es wird sich nach dieser Zeit viel zum Guten verändern.“ ■

 

Weitere interessante Artikel im Nah Magazin

 

Paulaner

Unternehmenswerte: Tradition heißt auch, Neues wagen

Prof. Dr. Nick Lin-Hi

Keine Macht der Phrasendrescherei
 

Abonnieren Sie Nah kostenlos, um neue Artikel sofort zu erhalten.