NAH MAGAZIN / PAULANER

Unternehmenswerte: Tradition heißt auch, Neues wagen

 
 

Paulaner, die Marke mit dem weltbekannten Mönchskopf-Logo, ist nahezu ein Wahrzeichen Münchens. Christiane Uhl, HR-Geschäftsführerin der Gruppe, über Selbstbestimmtheit und die Bedeutung von Tradition in Zeiten des Wandels.

Es sind die Erlebnisse aus der Kindheit, die uns Menschen oft ein Leben lang prägen. Bei Christiane Uhl ist es auf jeden Fall so. Beim alljährlichen Wanderurlaub in Südtirol eilte der Vater stets mehrere hundert Meter voraus. „Bis ich mit meiner Mutter und Schwester aufschloss, hatte er seine Pause schon wieder beendet und trieb uns weiter“, erinnert sie sich und kann heute darüber lachen. „Was ich schnell begriff war, dass ich mit ihm zusammen vorne gehen muss. Das war zwar total anstrengend am Anfang, fast wie rennen, hat sich aber gelohnt, weil ich dafür dann mit ihm öfters Pause machen konnte.“
 

"Ich bin überzeugt: Firmen leben Werte, sie werden nicht durch Rollen geprägt."

Sie legt Wert darauf zu betonen: „Ich habe mich immer für mein Leben verantwortlich gefühlt, auch wenn es manchmal mühsam war. Denn es liegt doch immer ein eigener Anteil in dem, wie etwas geschieht.“ Heute ist sie die erste HR-Chefin in der Geschäftsführung der Paulaner Brauerei Gruppe. Nicht nur, weil sie die erste Frau in dieser Position ist. Sondern weil HR bis dahin nicht als eigenes Ressort dort vertreten war. Wie es dazu kam, hat größtenteils damit zu tun, wie konsequent sie seit frühester Jugend ihre Selbstbestimmtheit lebte.
Als Erste in der Familie machte sie Abitur, studierte Politologie und Jura. Um dann doch nicht Anwältin zu werden – ganz einfach, weil die Arbeit in einer Kanzlei ihr nicht das gab, was sie sich vorstellte. Denn ihr Studium hatte sie sich in einer Kanzlei verdient. Stattdessen heuerte sie bei einer großen Unternehmensberatung an, wo sie Karriere machte. Der nächste Schritt hätte bedeutet, weg von den Menschen zu einer (noch) internationaleren und virtuelleren Aufgabe zu wechseln. Aber auch nach zwölf Jahren war ihr die Schulterklappe weniger wichtig als der Inhalt ihrer Tätigkeit – und sie stieg ohne den branchenüblichen ‚goldenen Handschlag‘ aus: „Alle haben gesagt, Du bist verrückt, darauf zu verzichten. Für mich war aber klar, ich hatte mich selbst dazu entschieden, etwas Neues zu wollen. Warum soll die Firma mir Geld dafür geben? Auch das hat für mich mit Selbstbestimmtheit zu tun.“ Davor hatte sie sich eine Auszeit auf einer Berghütte genommen und beschlossen, einen neuen, ziemlich gegensätzlichen Weg einzuschlagen: „In meinem nächsten Job wollte ich nicht nur Wert schaffen, sondern – der Klassiker – etwas Sinnvolles tun und ein Produkt in Händen halten“, sagt sie.
 

"Man sieht und spürt, dass die Familie durch Innovation die jahrhundertealte Tradition von Paulaner für die Zukunft erhalten will."

 
So bewarb sie sich initiativ beim anthroposophischen Stiftungsunternehmen Dr. Hauschka Naturkosmetik – eine Marke, die sie schon lange liebte. „Ich hatte noch nie so ein Bewerbungsgespräch geführt. Wo es nur um mich als Mensch ging und nicht als potenziellen Inhaber einer Stelle. Denn ich hatte mich für keine konkrete Position beworben, sondern bei einem Unternehmen.“ ‚Für Sie möchte ich arbeiten‘, schrieb sie dem Vorsitzenden der Geschäftsführung. Auch dieser war gleich überzeugt und berief sie zur Ressortleiterin Vertrieb und Marketing – etwas, das sie „nie zuvor gemacht hatte“ und das ihrer Vorstellung entsprach, dass es „auf Fähigkeiten ankommt, nicht auf Abschlüsse“. Wie konsequent das Unternehmen seine Wertvorstellungen lebt, prägte sie auch für ihren weiteren Weg. „Hauschka investiert bis zu sieben Jahre lang in einen Rosenbauern in Afghanistan, bevor der die erste Ernte Rosenöl in Demeter-Qualität liefert. Das bedeutet Nachhaltigkeit!“
 

"Ich glaube, dass Tradition auch bedeutet, sich immer wieder neu auf den Weg zu machen. Und zu entscheiden, was lassen wir da, was nehmen wir mit?"

 

Nach einigen Jahren und sehr vielen Kilometern zwischen ihrem Leben mit ihrem Mann in München und ihrem Arbeitsort auf der Schwäbischen Alb kehrte Christiane Uhl zurück in die bayerische  Landeshauptstadt. „Und wieder bewarb ich mich nicht auf eine Stelle. Sondern bei einem Unternehmen. Ich bin überzeugt: Firmen leben Werte, sie werden nicht durch Rollen geprägt.“ Die Schörghuber Unternehmensgruppe und ihre Eigentümerin Alexandra Schörghuber hatten sie schon lange fasziniert. Uhl nahm Kontakt auf – aus dem gleichen Impuls heraus: ‚Für Sie möchte ich arbeiten‘. „Ich kam zur richtigen Zeit, der Unternehmensbereich Getränke befand sich im Umbruch, sodass ich meine neue Rolle aktiv mitgestalten konnte“, sagt sie. Seit Sommer 2018 ist Christiane Uhl Geschäftsführerin der Paulaner Brauerei Gruppe mit dem Ressort HR.

„Meine erste Handlung nach Vertragsschluss bei der Brauerei war, mir ein neues Dirndl maßschneidern zu lassen“, erzählt sie. „Bei einer Schneiderin, die meine Vorstellung von Tradition und Moderne teilt.“ Sie bleibt sich auch hier treu: Es ist ein klassisches „Gwand“. Bewusst hat Christiane Uhl sich für ein Familienunternehmen entschieden. „Ich schätze diese Beziehung und Interaktion. Man sieht und spürt, dass die Familie durch Innovation die jahrhundertealte Tradition von Paulaner für die Zukunft erhalten will.“ So hat das Unternehmen 400 Millionen Euro in eine hochmoderne Brau- und Abfüllanlage in Langwied, im Westen Münchens, und in einen Verwaltungsneubau in der Au investiert.

Für Mitarbeiter, Ehemalige und Freunde der Brauerei war der Umzug vom Nockherberg nach Langwied 2015 ein einschneidendes Erlebnis. „‚Es hat mir das Herz rausgerissen‘, sagten manche, und ‚am Nockherberg war alles besser‘“, beschreibt Christiane Uhl deren Gefühle. Es zeigt, wie tief die Identifikation mit dem Nockherberg und dem Unternehmen geht. Denn viele der Familien, die teilweise seit Generationen für Paulaner arbeiten, leben noch immer ‚in der Au‘, wie der Stadtteil heißt. So gilt es noch heute, die räumliche Trennung, die sich in den Köpfen und Herzen der Menschen fortsetzt, zu überwinden. Denn die Verwaltung sitzt weiter am Fuße des Nockherbergs. Auf dem ehemaligen Brauereigelände oben auf dem Berg entstehen Neubauwohnungen.
 

"Kulturleitbilder sind nur so gut, wie man sie lebt."

„Der Riss war spürbar. So hatten wir nach dem Umzug der Brauerei zwei Betriebsversammlungen: eine in Langwied, eine in der Au“, berichtet die HR-Chefin. „Dieses Jahr wollte der Betriebsrat wieder eine gemeinsame abhalten, idealerweise in unserer Wirtschaft ‚Paulaner am Nockherberg‘. Ich habe vorgeschlagen, nach Langwied in die Brauerei zu gehen. Es war mir sehr wichtig, dass sich die Menschen von der Au aus auf den Weg machen, und wir dort alle gemeinsam auf Holzbänken mitten in der Produktionshalle sitzen. Damit alle spüren, wo das Herz der Brauerei schlägt.“
 
Christiane Uhl findet, man müsse den Menschen das Recht auf Tradition und Nostalgie lassen. Persönlich hat sie eine zukunftsgewandtere Sicht: „Ich glaube, dass Tradition auch bedeutet, sich immer wieder neu auf den Weg zu machen. Und zu entscheiden, was lassen wir da, was nehmen wir mit?“ Was zwingend mitgenommen werden müsse, seien die Geschichten: „Wir haben nahezu jedes Jahr 40-jährige Dienstjubiläen. Was diese Menschen zu erzählen haben, das dürfen wir nicht verlieren. Denn daraus formen wir unsere eigene Geschichte. Wir prägen heute die Tradition der künftigen Generationen. Und dafür tragen auch wir Geschäftsführer eine hohe Verantwortung.“ Dass sich die Paulaner Brauerei Gruppe verantwortlich für die Mitarbeiter als Menschen fühlt, wird an Christiane Uhls Rolle sichtbar: „Darin, dass unsere Eigentümer HR direkt in der Geschäftsführung verankern und nicht als Beigabe zu einem anderen Ressort sehen, zeigt sich eine starke Haltung.“

Struktur und Rahmen sind wichtige Ankerpunkte in Zeiten des Wandels. Dazu trägt auch das Kulturleitbild bei, das die Menschen bei Paulaner kurz vor Uhls Einstieg erarbeitet haben. „Ein Geschenk“, wie sie es formuliert. Es setzt sich analog zum Bayerischen Reinheitsgebot aus den vier „Zutaten“ „Gemeinsame Stärke“, „Täglich besser werden“, „Konsequentes Handeln“ und „Unternehmerisches Denken“ zusammen, deren übergreifende Klammer das „Vorbildliche Handeln“ bildet. Jetzt ein gemeinsames Verständnis für diese Begriffe und ihre Umsetzung zu finden, ist für Paulaner gerade eine Aufgabe, die alle angeht. „Kulturleitbilder sind nur so gut, wie man sie lebt. Hier haben insbesondere wir in der Geschäftsführung eine Vorbildfunktion.“

Täglich hinterfragt Christiane Uhl viele Prozesse und Vorgehensweisen, setzt sich dafür ein, nachhaltige Veränderungen anzustoßen und umzusetzen, beginnend bei sich selbst. „Ich fahre in der Regel mit dem Rad zum Büro. Mir war ein wichtiges Kriterium bei der Dienstwagenauswahl der CO2-Ausstoß – erstaunlich für viele meiner Kollegen“, sagt sie. „Und Reisekostenrichtlinien gelten natürlich auch für Geschäftsführer“. Hierarchiebedingte Ausnahmen gibt es für sie nicht, da kommt die Haltung wieder durch, die sie für wichtig hält. „Es gibt unverhandelbare Werte im Unternehmen – und über alles andere muss man sprechen.“

 

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