Die renommierte Wirtschaftsprofessorin Ann-Kristin Achleitner zählt zu den größten Verfechtern eines solchen Ökosystems, um gegenüber Asien und den USA aufzuholen.
„In Deutschland gibt es eine berechtigte Debatte darüber, dass wir zu wenig Wachstumskapital im Markt haben. Aber Start-ups haben ein weiteres wesentliches Bedürfnis: Kunden. Etablierte Unternehmen sind für sie dabei nicht nur im Vertrieb wichtig, sondern auch auf der strategischen Ebene, um Produkte gemeinsam weiterzuentwickeln“, sagt sie.
Das deutsche Paradebeispiel nennt sie EOS: „Dass 3D-Druck maßgeblich aus Deutschland heraus entwickelt wurde, ist eine Erfolgsgeschichte. Ein entscheidender Moment dabei war die Unterstützung durch den damaligen BMW-Entwicklungschef Wolfgang Reitzle“ erläutert Achleitner. Reitzle stellte mit BMW den Pilotkunden dar – vom Kunden kam zudem auch die nötige finanzielle Unterstützung, um den Bau einer der ersten Maschinen zu finanzieren.
Etablierte Unternehmen profitieren in der Zusammenarbeit nicht nur von innovativen, besseren Produkte, sondern auch von einem Schub, der von der Zusammenarbeit ausgeht. Oder sie erschließen sich weiteres Geschäft: “Wenn Airbus die kleinen Trägerraketen des Start-ups Isar Aerospace einsetzen will, um Satelliten ins All zu bringen, dann eröffnet Airbus damit ein weiteres Marktsegment für sich”, nennt Achleitner ein aktuelles Beispiel.
Damit Kooperationen überhaupt entstehen, braucht es auch mehr Kontaktfläche, mehr Möglichkeiten zum Austausch. „Wir hatten einen sehr augenöffnenden Moment bei unserer acatech-Studie zu Innovationskraft“, erzählt Achleitner. „Ein Unternehmer hat uns berichtet, dass er im Silicon Valley mehr andere Münchner Unternehmen getroffen hat als in der Stadt selbst.“ Deshalb plädiert sie für mehr Anlässe, Formate und Orte, an denen Begegnungen möglich sind. Das können regionale Cluster, Ausgründungscenter bei Universitäten oder reine Unternehmensinitiativen sein. „Nehmen Sie die BMW Start-up Garage: Da hat das Unternehmen eine Schnittstelle zu Start-ups geschaffen, damit diese sich mit ihm über neue Entwicklungsmöglichkeiten austauschen können. Im Prinzip werden da die Zulieferer von morgen gefördert“, erklärt die Professorin. Auch universitäre Organisationen schaffen mit Unterstützung von Unternehmen entsprechende Formate.
Dabei ist es nicht so, dass es Kooperationen nur zwischen Konzernen und Start-ups gibt – im Gegenteil. „Eine Erkenntnis aus unserer Studie ist, dass Start-ups besonders gern mit familiendominierten Unternehmen zusammenarbeiten“, so die Expertin. Dafür sprechen kulturelle Faktoren: Unternehmerfamilien sind häufig bereit, ins Risiko zu gehen, haben kurze Entscheidungswege und einen längeren Horizont bei der Unternehmensentwicklung. „Die jüngere Generation in Familienunternehmen geht oft ganz gezielt auf den Start-up-Bereich zu“, sagt Achleitner. Ein Unternehmen wie der hessische Heizungsbauer Viessmann, der einen Company Builder und zwei Beteiligungsunternehmen gründete, sei ein gutes Beispiel.
Erfolgreiche Kooperationen zwischen Start-ups und etablierten Unternehmen erfordern dabei Grundlagen: „Kommunikation und ein Verständnis für den jeweils anderen in seiner Welt sind sehr wichtig“, sagt Achleitner. Von einem starken Ökosystem profitieren alle Seiten. Sich das vor Augen zu halten, ist gerade bei einer abkühlenden Konjunktur bedeutend. „Ein interessanter Befund aus der Finanzkrise ist, dass die Finanzierung zwar nicht zurückgegangen ist, die Unternehmen aber zurückhaltender wurden. Damit sind Kundenkontakte weggebrochen und aufstrebende Unternehmen konnten sich weniger entwickeln“, so Achleitner. Derartiges Potenzial, gemeinsam auch in schwierigeren Lagen zu wachsen und erfolgreich zu sein, sollten Unternehmen nicht brachliegen lassen. ■