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Warum Werte so wertvoll sind.

 
 

Jeden Tag stehen wir vor Entscheidungen, wägen ab, was wir tun oder lieber lassen wollen: Tee oder Kaffee, Auto oder Bahn, investieren oder lieber sparen? Warum tun wir etwas und etwas anderes nicht, welche Überzeugungen und „Werte“ leiten uns dabei? Und was ist das eigentlich: ein „Wert“?

Was ist ein Wert ist und wie er geltend gemacht wird

 

Ein Wert ist ein Leitgedanke, den wir für „gut“ halten. Die Herausforderung liegt darin, dieses Gute zum Ausdruck und mit den Vorstellungen anderer in Einklang zu bringen. Der US-Philosoph John Dewey schrieb, ein Wert sei zunächst nichts anderes als ein Wert, etwas, das ich in meinem Handeln geltend machen muss. Ansonsten werde jedes Wertegerüst zu einer Phrase, die das eigene Bekenntnis untergräbt. Dabei gilt es, Leitwerte zu formulieren und sie als Verhaltensleitlinien in unserem Handeln nachvollziehbar zu machen. 

Nehmen wir zum Beispiel den Wert der Freiheit: Dann gilt es zu überprüfen, welchem Freiheitsverständnis mein Handeln folgen soll. Also: Will ich eine Freiheit „von“ etwas oder „zu“ etwas etablieren? Geht es darum, Bedingungen für Wandel und Veränderung zu kreieren oder sich von Handlungszwängen und starren Bedingungen zu befreien? Beide Maßnahmen folgen dem Wert der Freiheit, kommen in unserem Handeln aber anders zum Ausdruck. Zu Leitwerten muss man auch ihr Warum erklären, damit sie Sinn stiften. Das unternehmerische Interesse und das Handeln sollen diesem Sinn folgen.

Dr. Ina Schmidt
 

„Zu Leitwerten muss man auch ihr Warum erklären, damit sie Sinn stiften. Das unternehmerische Interesse und das Handeln sollen diesem Sinn folgen.“

Ein Wert ist als übergeordneter Leitgedanke bindend und macht hin und wieder auch unbequeme Entscheidungen notwendig. Den Wert der „Freiheit“ zu benennen, ist eine Sache; ihn als Grund in einem Entscheidungskontext lebendig und transparent werden zu lassen, eine andere: Allein eine kritische Unternehmenskultur, die darauf achtet, ist auch in der Lage, Differenzen und notwendige Kompromisse in einem positiven Spannungsverhältnis auszuhalten. Das bedeutet gerade nicht, dass jeder Wert verhandelbar bleibt, sondern dass die Handlungen, in denen seine Verbindlichkeit zum Ausdruck kommt, als Prozess in einer pluralistischen Gemeinschaft ernst genommen werden.
 

„Ein Wert ist als übergeordneter Leitgedanke bindend und macht hin und wieder auch unbequeme Entscheidungen notwendig.“

Jeder Wert ist ein Warum für sinnstiftende Strukturen

Ein Beispiel: Die US-Universität Stanford formuliert in ihrem Siegel ein Motto in deutscher Sprache: „Der Wind der Freiheit weht“ ist in klaren Lettern dort über dem Nadelbaum von Palo Alto zu lesen. Soll also dieser Geist tatsächlich wirksam werden, dann reicht es nicht, diesem Satz als Leitwert zuzustimmen, sondern es gilt gleichzeitig, Bedingungen zu schaffen, um genau das auch zu ermöglichen – und das ist alles andere als eine Banalität.
Nicht das Weglassen von Strukturen ermöglicht Freiheit, sondern es braucht Strukturen, in denen Freiräume entstehen können, der Wind also tatsächlich weht. Welche Verhaltenswerte machen Freiheit möglich? Klare Absprachen bleiben ebenso notwendig wie zeitliche Vereinbarungen, wie und wann Ergebnisse zusammengeführt werden sollen. Verbindlichkeit, Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit sind als Verhaltensleitlinien nicht das Gegenteil von Freiheit, sondern ihre Bedingung, sofern ich sie dazu erkläre.
 

„Ein Leitwert ist nicht das Ziel meiner Handlungen, sondern ihr Grund.“

Ein Leitwert ist demnach nicht das Ziel meiner Handlungen, sondern ihr Grund: Er ist das Warum, das mir sagt, was zu tun und zu lassen ist. Ganz egal, ob es darum geht, morgens Tee zu trinken, die Bahn zu nehmen oder freiheitliche Arbeitsbedingungen zu schaffen: Wenn ich weiß, warum ich etwas tue, gelingt es sehr viel leichter, in diesem „Warum“ erfolgreich zu sein.
Dr. Ina Schmidt studierte Kulturwissenschaften an der Universität Lüneburg und gründete kurz nach ihrer Promotion ihre philosophische Praxis denkraeume. Ihr Ziel: Die Philosophie als eine Form der Lebenspraxis zu vermitteln, die durch Reflektion Orientierung in wandelbaren Zeiten bietet. Schmidt ist Mitglied der Internationalen Gesellschaft für philosophische Praxis (IGPP) und des Expertennetzwerks der Liechtenstein Academy, Referentin des Netzwerks Ethik heute und der „brainery“ in Hamburg sowie Lehrbeauftragte am Institut für Philosophie der Universität Rostock.
 

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