Seit über 40 Jahren wirbt das Weltwirtschaftsforum für die Stakeholder-Theorie. Sie beschreibt ein Modell des „besseren“ Kapitalismus, in dem Unternehmen nicht nur Investoren und Eigentümern gegenüber verpflichtet sind, sondern allen Stakeholdern: den Mitarbeitern, der Gesellschaft und der Umwelt. Zuletzt fanden die Idee und die Bereitschaft zur Zusammenarbeit immer mehr Anhänger unter Wirtschaftslenkern – stehen diese Fortschritte jetzt aufgrund der globalen Coronavirus-Pandemie auf der Kippe?
„Inmitten dieser Krise werden wir uns sehr stark der menschlichen Seite unserer Welt bewusst. Während wir sonst immer mit unserem Alltag beschäftigt sind, erleben wir plötzlich, wie verwundbar und aufeinander angewiesen wir doch sind. Diese menschliche Dimension denke ich, ist eine Perspektive, die wir uns behalten sollten. Wir brauchen diese Haltung gerade im Hinblick auf die vielen Herausforderungen, die wir als Weltgemeinschaft zu bewältigen haben.
Dominic Waughray stieß 2006 zum Weltwirtschaftsforum und ist dort Managing Director.
Sehr anschaulich werden diese Aufgaben in den 17 Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen. Einmal erreicht, würden sie allen Menschen auf der Welt ein besseres Leben ermöglichen, sei es mit Blick auf Bildung, Ernährung oder eine lebenswerte und intakte Umwelt. Beim Weltwirtschaftsforum sehen wir, dass die Coronavirus-Pandemie unsere Welt auf gleich drei Ebenen auf die Probe stellt: Sie testet unsere Gesundheitssysteme, die Weltwirtschaft und unsere Fähigkeit, international zusammenzuarbeiten.
Das Spannende ist: Gerade mit diesem letzten Punkt verbinde ich große Hoffnung, auch hinsichtlich zukünftiger Herausforderungen. Denn ich sehe viele Unternehmen, die jetzt ihre Kräfte bündeln, über Branchen und Ländergrenzen hinweg kooperieren und so ihre Verantwortung der Gesellschaft gegenüber wahrnehmen. Sei es beispielsweise mit digitalen Lösungen, der schnellen und unkomplizierten Herstellung und Bereitstellung von medizinischem Material oder durch andere innovative Ansätze.
Diese Zusammenarbeit und dieses Bewusstsein für die eigene Verantwortung werden wir auch in Zukunft benötigen, wenn wir die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen erreichen wollen. Das Weltwirtschaftsforum stellt seit jeher Plattformen bereit, damit private und öffentliche Organisationen gemeinsam an der Verbesserung des Zustands der Welt arbeiten können. Dazu gehören sowohl unser jährliches Treffen in Davos als auch zunehmend digitale Formate wie unsere vor kurzem gestartete Crowdsourcing-Plattform UpLink.“
„Die Herausforderungen unserer Zeit werden nicht gerade weniger. Deshalb sind wir überzeugt, dass jeder Mensch die Möglichkeit haben sollte, deren Lösungen mitzuarbeiten. Für genau diesen Zweck haben wir als Weltwirtschaftsforum mit unseren Partnern Salesforce, Deloitte und LinkedIn die Plattform UpLink gegründet.
John Dutton übernahm erst im März die Position des Head of UpLink, nach mehreren Jahren in Verantwortung für das Young Leaders Forum beim Weltwirtschaftsforum.
Unsere Vision ist, dass jeder über UpLink Ideen zur Bewältigung der dringendsten Herausforderungen der Welt beitragen kann. Über sie wollen wir Innovatoren zusammenbringen, ganz egal, wo auf der Welt, ob Einzelperson oder Unternehmen. Dadurch entsteht für viele erstmals die Chance, mit ihrer Idee gesehen und gehört zu werden, sich mit Entscheidern, Förderern und Investoren zu vernetzen, damit sie ihre Innovationen aufbauen und skalieren können.
Wir haben im März unser erstes Projekt gestartet, den UpLink Oceans Solutions Sprint. Wir suchen nach Lösungen, um zwei der drängendsten Probleme unserer Weltmeere zu lösen: die Verschmutzung mit Plastikabfällen und illegale Fischerei. Die Einreichungen sind ebenso vielfältig wie vielversprechend. So kam etwa aus Kamerun die Idee, aus Kunststoffabfällen Boote für die dortigen Fischer zu bauen. Am anderen Ende der Skala hat sich ein Unternehmen gemeldet, das mithilfe eines Satelliten die Bewegung von Booten und Schiffen beobachten kann, um die Fischerei-Aktivitäten zu verfolgen.
Im gegenwärtigen Klima der COVID-19-Pandemie sehen wir, dass wir bei der Bewältigung der direkten und indirekten Folgen kollektiv handeln müssen. In den kommenden Wochen werden wir daher neue Lösungen und Antworten sammeln, die die ganz konkreten Probleme, ausgelöst durch die Pandemie, adressieren. UpLink kann in dieser Krise eine vielleicht entscheidende Idee entdecken, die unsere Welt schneller heilen lässt. Und umgekehrt werden wir dadurch besser verstehen, effektiv mit Grassroots-Bewegungen und verschiedenen weiteren Interessenträgern in diesem Bereich zusammenzuarbeiten.“ ■