„Ich war schon immer süchtig nach Wissen, sauge alles auf zu Themen, die mich interessieren, von Genetik über Elektrotechnik bis hin zu künstlicher Intelligenz“, beschreibt Kevin Landgraf seine Leidenschaft. Dieser permanente Wissensdurst hat ihn zu einem echten Pionier für den Einsatz von KI in einem der traditionellsten Handwerke überhaupt gemacht. Ihren Anfang genommen hat seine Passion für Bits und Bytes schon in der Jugend. Kevin bewunderte stets die Ataris und Commodores in den Regalen des PC-Handels seines Onkels - und der gab ihm eine Chance: „’Wenn Du es schaffst, ihn selbst zusammenzubasteln, schenke ich Dir einen Computer’, hat er gesagt“, erinnert sich Landgraf. Hunderte Seiten im Handbuch und ein bisschen schrauben, stecken, löten später war der Traum vom eigenen PC Wirklichkeit geworden.
Die Faszination, ein kleines technologisches Wunderwerk mit den eigenen Händen geschaffen zu haben, ließ Kevin Landgraf nie wieder los. So führte ihn sein Berufsweg über eine Ausbildung bei der Bundeswehr zum Betriebsinformatiker und Kaufmann zurück in die Heimat, zum Handwerksbetrieb Brunner Bäcker in Weiden in der Oberpfalz. Dort verantwortet er heute die IT des 850-Mitarbeiter:innen-Betriebs und treibt ehrgeizige, hochinnovative Digitalisierungs-Projekte voran.
Eines dieser Projekte: Die Produktions- und Verkaufsmengen für die über 80 Filialen mithilfe von Künstlicher Intelligenz möglichst exakt vorherzusagen. Denn Bäcker:innen stehen tagtäglich vor der Herausforderung, dass ihre Kund:innen während der kompletten Geschäftszeiten eine frische und vielfältige Auswahl an Brot, Brezeln und Süßstücken erwarten. Die jeweils benötigten Mengen konnten bislang lediglich geschätzt werden. Das führte unweigerlich zu einer Überproduktion von Backwerk – mit der Konsequenz, den Überschuss vernichten oder „downcyceln“ zu müssen. Das wirkt sich nicht nur negativ auf die Profitabilität, sondern auch auf die Nachhaltigkeit der Betriebe aus.
Ein Zustand, der auch Gerhard Brunner, Inhaber und Geschäftsführer von Brunner Bäcker, ein Dorn im Auge war. Denn Nachhaltigkeit ist beim Mittelständler, wo Brunner höchstpersönlich die Felder seiner Zulieferer inspiziert, Chefsache. Auch dieser Anspruch an unternehmerische Verantwortung brachte Kevin Landgraf auf die Idee, die Produktions- und Liefermengen mithilfe von Algorithmen präziser vorherzusagen. Ein kleiner Baustein, der eine große Auswirkung haben kann: „Selbst wenige Prozentpunkte Senkung der Retourenquote ergeben über das Jahr gerechnet enorme Mengen, das wirkt sich auch stark auf den CO2-Fußabdruck aus“, rechnet Landgraf vor.
Für die Umsetzung seines Konzeptes im Betrieb fand Kevin Landgraf in Salesforce Einstein die Lösung, mit der er seine Pläne quasi out-of-the-box in die Tat umsetzen konnte. Nachdem er die dafür notwendigen Daten in Salesforce aufbereitet hatte, ging die KI-Lösung wenige Monate vor dem Ausbruch der Coronavirus-Pandemie live. „Die Filialen bekommen von unserer KI eine Empfehlung für die Lieferung des nächsten Tages. Es sind jedoch unsere Fachkräfte vor Ort, die das letzte Wort haben. Denn sie wissen am besten, was in der Umgebung los ist und wie das die Nachfrage beeinflussen könnte. Etwa eine Veranstaltung, zu der viele Auswärtige kommen werden“, erklärt Landgraf. Denn KI muss keineswegs ein Ersatz für menschliche Kompetenzen und Erfahrungen sein. Bei Brunner Bäcker ist es vor allem das Zusammenspiel zwischen Mensch und KI, das bessere Ergebnisse liefert.
Dabei ist die Leistung der KI immer nur so gut wie die Daten, von denen sie lernt. Genau dieser Lernfortschritt wurde durch die Corona-Pandemie erheblich beeinträchtigt. „Das andauernde Hin und Her zwischen Öffnungen und Schließungen hat die Algorithmen vor allem mit Blick auf das Café-Geschäft völlig durcheinander gebracht“, so Landgraf. Dennoch lässt sich bereits jetzt eine gesteigerte Präzision feststellen, und mit einem stetig wachsenden Datenschatz werden die Vorhersagen immer präziser.